Bundesregierung ohne demokratische Legitimation?

Neuauszählung

11.09.2025 Es tut sich was in Sachen Neuauszählung der Stimmen für den Bundestag.

Eigentlich sollte es ein selbstverständliches Interesse aller Demokraten sein zu klären, ob unsere Volksvertretung, der Bundestag, rechtmäßig zusammengesetzt ist und ob unsere Regierung auch tatsächlich demokratisch legitimiert ist. Auch die rund 2.5 Millionen Menschen, die gesichert das BSW gewählt haben, besitzen ein Recht auf Klärung, ob ihre Stimmen im Bundestag vertreten sein müssen oder nicht. Aber dem ist leider nicht so. Der Bundestag lässt sich Zeit mit der Entscheidung über eine Neuauszählung.

Parteien und Medien überschütten das BSW mit Häme und verbreiten teilweise falsche Behauptungen. Immer wieder wird dem BSW vorgehalten, es gefalle sich in der „Opferrolle“ und es könne nicht akzeptieren, dass die Partei die notwendigen 5 % für den Einzug in den Bundestag verpasst habe. Pünktlich zum Kommunalwahlkampf machte der Spiegel in einem Artikel vom 29.8. mit dem Schmäh-Titel „BSW umgarnt die Wutbürger“ den Aufschlag: „Vertrauter Wagenknecht-Sprech. Das BSW: ein Opfer.“ Es ist vom „Scheitern bei der Bundestagswahl“ die Rede.Die taz schrieb am gleichen Tag in einem Artikel mit Falschaussagen zu den Kandidaturen des BSW bei den Kommunalwahlen in NRW von einem „denkbar knapp verpassten Einzug in den Bundestag“ mit 4,9 %. Richtig sind dagegen 4,981 %. Im Artikel der Rheinischen Post vom 1.9. (übrigens inhaltlich, teils sogar wörtlich mit dem Spiegel-Artikel identisch) wurde dem BSW ebenfalls die „alte Erzählung der Opferrolle“ unterstellt. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass das Bundesverfassungsgericht Anträge des BSW und einzelner Parteimitglieder auf Neuauszählung ja „abgelehnt“ habe. Fast alle Presseberichte dazu lassen jedoch die Begründung des BVerfG in seinen Bescheiden weg.

Richtig ist, dass das BVerfG neben Organklagen auch Anträge des BSW und weiterer Einzelpersonen auf sofortige Neuauszählung abgelehnt und die Partei zunächst an den für Wahlprüfungen zuständigen Bundestag verwiesen hat. Das BSW wollte mit der Klage diesen Weg abkürzen, um noch vor Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses und der Konstituierung des neuen Bundestages eine Neuauszählung zu erreichen. Denn bereits am Wahltag und bei darauffolgenden von der Partei eingeforderten Stichproben wurden viele Auszählungsfehler festgestellt. Die Zurückweisung der Anträge bezog sich also lediglich auf die erste Zuständigkeit des Bundestages für ein Wahlprüfungsverfahren, nicht jedoch auf die Berechtigung einer Anzweiflung des Wahlergebnisses. In der Begründung eines Bescheides vom 3.6. nannte das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit, eine Wahlprüfungsbeschwerde zuzulassen, „wenn über einen Wahleinspruch durch den Deutschen Bundestag nicht in angemessener Frist entschieden werde“.(1) Leider hat sich der Bundestag allein mit der Einsetzung der Wahlprüfungskommission bis kurz vor der parlamentarischen Sommerpause Zeit gelassen. In einer Entscheidungsbegründung am 13.8. wurde das BVerfG noch deutlicher: Es kündigte an, bei weiterer Verzögerung ggf. in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Bundestag „nicht in angemessener Frist entscheidet“. Es „gebe ein öffentliches Interesse an der raschen und verbindlichen Klärung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Parlaments“.(2)

Neben den vom Bundestag angeforderten Stellungnahmen der Landeswahlleiter, die ebenfalls Auszählungsfehler zugaben, bekommt das BSW inzwischen auch von wissenschaftlicher Seite Unterstützung.

So äußerte der renommierte Statistik-Professor Gerd Bosbach, er sei zwar „kein BSW-Wähler“, „aber möglicherweise wird den ungefähr 2,5 Millionen Wählerinnen dieser Partei zu Unrecht eine Parlamentsvertretung verweigert. Bei einem derart knappen Ergebnis – weniger als 0,02 Prozentpunkte fehlten zur 5-Prozent-Hürde – und den vielen Fehlern, die nach der Auszählung (Stichproben vor dem amtlichen Endergebnis) schon aufgefallen sind – in der Summe zulasten des BSW – ist eine Neuauszählung angesagt“.(3)

Am 3. 9. kritisierten auch die beiden Politikwissenschaftler Prof. Eckhard Jesse und Prof. Uwe Wagschal in einem längeren Artikel in der FAZ mit dem Titel „Der Wahlkrimi ist noch nicht aus“ das bisherige Schweigen der Rechts- und Politikwissenschaft zum Umgang mit der Wahlbeschwerde des BSW. Ihr Fazit: „Eine bundesweite Neuauszählung ist angesichts des knappen Ausgangs und vieler Ungereimtheiten nicht nur sinnvoll, sondern auch dringend geboten.“ Unabhängig vom Ausgang einer Neuauszählung: „Einem akkuraten Auszählen gebührt jenseits aller anderen Erwägungen der Vorrang“. (4) Sowohl die FAZ als auch die beiden Autoren sind sicher keine BSW-Anhänger. Es geht aber um die Glaubwürdigkeit demokratischer Wahlen und die verfassungsmäßige Legitimität von Parlament und Regierung.

Statt dem BSW eine Opferhaltung anzudichten, sollten sich die regierenden Parteien und Leitmedien eher um den zunehmenden Vertrauensverlust der Wählerschaft in Demokratie und staatliche Institutionen sorgen. Er wird durch die Verschleppung der Neuauszählung durch den Bundestag weiter befördert.

Es entsteht der Eindruck, dass sich bei den jeweiligen Mehrheitsparteien und den sie unterstützenden Medien Nervosität breit macht besonders beim Thema Neuauszählung der Wählerstimmen zur Bundestagswahl. Es scheint bei ihnen – zu Recht – angstbesetzt, verlöre die gegenwärtige Regierung doch ihre Mehrheit, wenn das BSW doch noch in den Bundestag käme.

_____________________________

1 vgl. Pressemitteilung des BVerfG Nr. 48/2025 vom 3.6.2025

2 vgl. Beschluss des BVerfG vom 13.8.2025

3 vgl. zitiert nach bsw-vg.de vom 26.8.2025

4 vgl. Frankfurter Allgemeine vom 3.9.225

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung